Warum ich das Kringelchen erfand

 

Als ich die Augen öffnete, blendete mich das Licht, das durch die quadratischen Mauerlöcher fiel, dann setzte ich meine Füße auf den harten, glatten Boden des Raumes, in dem ich mich befand, stieß mich an rechtwinkligen Kanten, an Senkrechten und Waagerechten, helle Symmetrie umgab mich, gebeiztes Holz, platt und tot, Gewebe, das säuberlich hing, eiserne Klinken und Schlüssel.

Über mir und unter mir weitere Mauern, die kubische Löcher umhüllten, den Kubus zum Grundelement der menschlichen Ordnung machten. Aus Hähnen strömte gechlortes Wasser in regulierbarem Strahl, ich presste graue Kunststoffmuscheln fest an meine Ohren, um in elektrische Schwingungen verwandelte Stimmen zu hören.

Das Erstarrte hatte die Herrschaft angetreten, kein Wind bog noch etwas, nichts wuchs, nichts verwandelte sich, in Porzellanfliesen leben keine Engerlinge, und Schmetterlinge zerbrachen sich die Flügel an Kristallblumen. Die Schwalben waren sterbend in den Rinnstein gefallen, und krätzekranke Sperlinge nisteten auf Simsen und benutzten vorgeschriebene Flugbahnen.

Da lief ich voller Unruhe in der abgemessenen, klaren Ordnung umher, bis ich das Kringelchen erfand. Zuerst sollte es schwarz werden, dann bunt, doch grelle Farben waren genug um mich, und ich machte es grau, gab ihm hundert verschiedene, schmutzige, hässliche, unscheinbare Grautöne. Und wenn es fiel und sich verformte wie eine Amöbe und quoll und schwebte, so mischten sich die Graus wirr durcheinander. Es war weder stachelig noch weich, das Kringelchen, man war sich über das Gefühl nicht im Klaren, das es verursachte. Schon dadurch, dass es bei der leisesten Berührung nachgab und zu wabbeln begann, konnte man seine Konsistenz gar nicht beschreiben.

Manchmal erinnerte es an das Kitzeln, das unvermutete Wasserpestranken beim Schwimmen am Bauch verursachen. Es hatte auch keine feste Gestalt, einmal diese, einmal jene, wollte man es formen, so fiel es sogleich wieder in die undefinierbarste Verrenkung und blieb träge liegen, um nur die abstehenden haarigen Teile unregelmäßig und ganz dem Zufall gehorchend wedeln zu lassen.

Ich fragte mich alsbald nach dem Zweck, den das Kringelchen hatte: es hatte überhaupt keinen Zweck. Man konnte es in den Händen haltend wegwerfen, es klotzte einen vom Fensterbrett und aus Ecken glucksend an, es war so krumm und sinnlos, dass es jede Konstruktion um sich lächerlich erscheinen ließ: Uhren liefen in seiner Nähe falsch, Tische begannen zu wackeln, saubere Gegenstände wirkten schmierig und trostlos. Seine bedeutendste Fähigkeit war die des Verwandelns. Eben noch konnte es endlos lang, dürr und staklig gewesen sein, und mit einem Mal wurde es rund und fett und kugelig und charakterlos. Warum ich das Kringelchen erfand? Aus Protest gegen die Stein- und Eckenwelt, in der ich lebe, als Gequietsche gegen die geordneten Töne, als Gekicher, als Gegrunze, als Unsinn gegen die Ordnung.

Seit ich das Kringelchen erfand, ertrage ich die Kanten und Kuben viel leichter.